NIV bei COPD: Wenn die Maschine Deinen „Job“ übernimmt

Wie Patienten-Erfahrungen bei der nicht-invasiven Beatmung genutzt werden können, damit Betroffene von dieser lebensverlängernden Technik wirklich profitieren.

Studien belegen: Die nicht-invasive Beatmung (NIV) verbessert die Lebensqualität vieler Patienten mit versagender Atempumpe und verlängert sogar deren Überlebenszeit (z. B. bei COPD). Dennoch ist die Beatmung mit der „Maske“ für viele Patienten anfangs eine ängstigende und bedrückende Vorstellung. Welche Bedenken und Erfahrungen stecken hinter den Vorbehalten und wie können Sie als Betroffener zu einer akzeptierenden Haltung gegenüber der „ungeliebten Retterin“ kommen? Darauf gibt dieser Blogbeitrag eine Antwort aus psychopneumologischer Perspektive.

„Ich fühlte mich wie in einer Falle – aber ich lebte!“

So oder ähnlich klingt eine typische Aussage von einem Patienten, der seine ersten Erfahrungen mit der NIV-Maske bei einer schweren COPD-Exazerbation gemacht hat. Kommt es bei einer gravierenden akuten Verschlechterung der Grundkrankheit zu einem akuten Atemversagen (Akute Respiratorische Insuffizienz), so ist die nicht-invasive Beatmung häufig lebensrettend.

Diese Einsatzmöglichkeit der NIV ist aktuell im Zusammenhang mit der COVID-19-Akutbehandlung ins allgemeine Bewußtsein gerückt. Erkennbar wird das in Alltagsgesprächen, in denen Laien erzählen, daß sie irgendwo etwas gehört oder gelesen haben von der Möglichkeit einer „Masken-Beatmung, wenn die Lunge versagt“.

COVID-19-Patienten mit eigener NIV-Erfahrung finden sich möglicherweise in der oben angeführten Patientenaussage wieder. Hinweise dafür liefert beispielsweise der Bericht eines jungen COVID-19-Patienten aus der frühen Pandemie-Phase.

Psychische Belastungen durch NIV bei akutem Atemversagen

Weil die NIV bei akutem Atemversagen lebensrettend sein kann, befassen sich mehrere Studien mit den psychischen Belastungen für Patienten und Angehörige.

Vor allem am Beginn einer notfallmäßig eingeleiteten NIV auf einer Intensivstation leiden Patienten (und Angehörige) häufig unter ängstigenden Erfahrungen:

  • Angst vor Verlust (von Kontrolle, Autonomie, Würde, Selbstbild)
  • klaustrophobische Ängste („Platzangst“, Angst vor dem Ersticken)
  • Angst vor der Maske und vor der Technik
  • Angst vor Schmerz, Leiden, Sterben, Tod

Patienten fühlen sich zudem in dieser Situation extrem abhängig von Führung und gleichzeitig emotional sehr verletzlich – eine explosive Mischung für alle Beteiligten.

Wie kann die Akzeptanz der nicht-invasiven Beatmung beim akuten Atemversagen trotz dieser belastenden Aspekte unterstützt und gefördert werden?

Der Weg zur Maskenakzeptanz beim akuten Atemversagen

Entscheidend sind laut Studienlage folgende Faktoren:

  • Wissen und Einfühlungsvermögen des NIV-Teams
  • Akzeptanz-fördernde Interventionen

Was genau sollte das NIV-Team wissen und einfühlsam umsetzen?

Zum NIV-Team zählen in der Regel Beatmungsmediziner, Atmungstherapeuten, Pflegekräfte und (im günstigsten Fall) psychopneumologisch erfahrene Psychosomatiker.

Grundvoraussetzung für den hilfreichen Einsatz dieses NIV-Teams ist:

  • umfassendes und aktuelles Wissen über die medizinischen Hintergründe der nicht-invasiven Beatmung
  • Erfahrung im Umgang mit der technischen Seite
  • Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen

Um die gestreßten Patienten (und Angehörigen) bestmöglich zu unterstützen, müssen alle Beteiligten die drei Phasen der NIV-Adaption kennen und beachten:

  • Unbehagen
  • Übergangsphase
  • Toleranz oder Ablehnung

Konkret bedeutet das:

  • Unbehagen zu Beginn der NIV ist normal und sollte entsprechend wahrgenommen und bewertet werden!
  • In der Übergangsphase werden durch kompetentes und zugleich einfühlsames Vorgehen die Weichen gestellt!
  • Am Ende können viele Patienten die NIV annehmen – für einige müssen gute andere Wege gefunden werden.

Alternative Wege sind beispielsweise Angebote zur Akzeptanz-Steigerung für die nicht-invasive Beatmung. Die bisherigen Studienergebnisse zu diesen Angeboten liefern zwar noch nicht den ganz großen Durchbruch – aber sie weisen zumindest in eine erfreuliche Richtung:

  • Musik bei NIV-Einleitung mindert traumatisierende Streßerfahrungen.
  • Hypnotische Suggestion von Sicherheit mindert Erregung und Angst und erhöht den Beatmungskomfort.

Alles in allem also: Grund genug für vorsichtigen Optimismus, Anlaß für weitere Forschungen und Hoffnung auf Verbesserungen für Patienten (und Angehörige) bei der NIV-Behandlung wegen akuten Atemversagens.

„Es ist nicht angenehm – aber es ist eine ziemlich gute Sache!“

Dieser Aussage können vermutlich viele Patienten zustimmen, die durch ein fortschreitendes Atemversagen im Laufe der Zeit eine (zumeist) nächtliche dauerhafte NIV benötigen. Der Satz drückt treffend den Widerstreit aus zwischen dem Unbehagen durch die Prozedur und der Erleichterung durch den Behandlungserfolg.

Denn viele Patienten berichten von deutlich besserer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit durch die nächtliche Beatmung. So nehmen Atemnot, Kopfschmerzen und Fatigue ab, während die Stimmung in der Regel steigt.

Deshalb lohnt es, sich genauer mit möglichen Auslösern für das Unbehagen auseinanderzusetzen. Ziel dieser Überlegungen ist dabei immer: die NIV-Behandlung für Patienten (und Angehörige) akzeptabler und komfortabler zu gestalten.

Psychische Belastungen durch NIV beim chronischen Atemversagen

Als psychisch belastend schildern Patienten bei dauerhaft notwendiger NIV vor allem folgende Aspekte:

  • Unbehagen (z. B. gestörter Schlaf bei Patient und/oder Partner durch Gerät und Geräusche)
  • Angst (Engegefühle unter der Maske, Angst zu ersticken)
  • Schwierigkeiten, sich dem Rhythmus des Beatmungsgerätes anzupassen
  • Unerfahrenheit und Abhängigkeit (hinsichtlich Technik, Support)

Hieraus ergibt sich häufig folgendes Problem: Mit viel Mühe ist es dem NIV-Team in der Lungenfachklinik gelungen, den Patienten an die nächtliche Beatmung zu gewöhnen. Zuhause gibt es dann unerwartete Schwierigkeiten: Plötzlich piepst ein Alarm und läßt sich nicht ausstellen … Oder die Halterungen verursachen Druckstellen … Eine Leckage (undichte Stelle) führt zu unangenehmem Luftzug Richtung Augen … schmerzende Nase, Druck auf den Ohren, trockener Mund … Gründe über Gründe, dem grundlegenden psychischen Unbehagen freien Raum zu lassen und die NIV-Maske samt Beatmungsgerät in die hinterste Ecke zu verbannen.

Gefragt sind in diesem Fall vor allem Interventionen, um die Adhärenz (Therapietreue) im Hinblick auf die dauerhafte Anwendung der NIV zu stärken.

Der Weg zur Maskenadhärenz beim chronischen Atemversagen

Kompetente NIV-Teams wissen, worauf es ankommt, um NIV-Patienten nachhaltig zu motivieren:

  • Information
  • Präsenz (Erreichbarkeit – auch nach der Klinikentlassung)
  • Zuverlässigkeit

Gesellt sich dazu noch eine effektive Unterstützung beim Umgang mit Angstgefühlen und körperlichen Angstsymptomen, dann steigen die Chancen auf eine gute Zusammenarbeit von Patient und Maschine.

Denn eine Pilot-Studie zeigt: Bereits durch eine kurze psychologische Intervention (Psychoedukation, Anleitung zu Entspannung und Achtsamkeit, neuropsychologische Übungen) läßt sich die Akzeptanz und Adhärenz (Therapietreue) bei NIV dauerhaft verbessern.

Nach all diesen durchaus herausfordernden Überlegungen fragen Sie sich – als noch nicht von NIV betroffener Leser – möglicherweise:

Soll ich mich auf die NIV vorbereiten?

Aus psychopneumologischer Sicht lautet die salomonische Antwort: Es kommt darauf an!

Annäherung an das Thema (durch sachliche Informationen, durch Gespräche mit erfolgreichen NIV-lern – z. B. aus der Selbsthilfe-Gruppe) ist sicher nicht hinderlich.

Einüben von Achtsamkeit (z. B. bewußtes Wahrnehmen, Aufmerksamkeit lenken, usw.) ist für viele Patienten-Erfahrungen hilfreich (nicht nur, aber auch für eine eventuelle NIV-Einleitung).

Wenn Sie eher der „Katastrophen-Typ“ sind, ist es vielleicht besser, wenn Sie sich am Grundsatz einer gesunden „Verdrängung“ orientieren: „Es ist noch immer gutgegangen!“

Last – not least: Besprechen Sie Ihre Wünsche und Ihre Befürchtungen mit Ihren Angehörigen. Vielleicht schließen Sie so bereits im Vorfeld Freundschaft mit der „ungeliebten Retterin NIV“…

fizkes/Shutterstock.com

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Gessner Annemarie
1 Jahr zuvor

Hallo Andreas,
bei einer Nasenbrille hast du nur den dünnen Schlauch in den Nasenlöchern. Bei Masken gibt es zwei verschiedene. Eine, die ich auch habe, Nasenmaske, bei der du auch über die Nase ein- und ausatmest. Diese kann jedoch im Gegensatz zur Nasenbrille weniger verrutschen. Dann gibt es noch eine Vollbrille, die auch über den Mund geht.

Man unterscheidet auch noch zwischen einem C- und einem Bi-PAP. Beim Bi-PAP ist noch ein Wassertank dabei und das Gerät Atemzuggesteuert.

Ich habe ein Bi-PAP, da bei mir im Schlaf der Sauerstoff in den Keller geht. Man muss sich natürlich erst daran gewöhnen, aber ich möchte es nicht mehr hergeben.

Ich hoffe, dass du damit etwas anfangen kannst

Andreas Rudolf
3 Jahre zuvor

NIV heisst ja wohl „nicht invasive Beatmung“.
Was ist denn der Unterschied zwischen Maske und Nasenbrille; geht die Maske doch so ein wenig in Richtung
invasiv.
Ich war gerade 3 Wochen im Krankenhaus, davon 10 Tage 02 mit Nasenbrille und habe das eigentlich als unproblematisch empfunden; ausser dass ich ganz schnell wieder davon weg wollte, was mir gelungen ist.

Jürgen
3 Jahre zuvor

Hallo Birgit,
mir hilft das RC-Cornet Atemtherapiegerät, das bekommt man in der Regel ohne Probleme auf Rezept. Bei mir, COPD IV, hat sich schon nach ca. einer Woche eine Verbesserung gezeigt. Ich benutze das Gerät drei mal täglich, am Anfang für 5 und nach zwei Wochen für 7 Minuten.
Ich bin gespannt auf meinen nächsten Besuch bei LFA ob sich meine Werte verbessert haben, gefühlt würde ich sagen ja.
LG und alles Gute

Traute Arnold
3 Jahre zuvor

Seit etwa 2 Jahren habe ich NIV. Zunächst war nur daran gedacht, sie bei Nacht anzuwenden. Seit 1 Jahr nehme ich sie auch zum Mittagsschlaf. Inzwischen setze ich die Maske auch mal für 10 Minuten auf wenn ich mich in einen atemlosen Zustand trotz Sauerstoff über die Nasenbrille gebracht habe. ich komme dann schneller wieder auf einen normalen Zustand. Vor kurzem war ich stationär. Ich hatte mein eigenes Gerät dabei, es war kein Problem , Sauerstoff für die Nasenbrille zu bekommen und Sterilwasser für das NIV Gerät (Stellar 100). Für die Untersuchungen hatte ich noch den tragbaren Konzentrator auf Demandbasisi dabei, ich hätte aber auch von dre Stationeinen Stroller haben können.
Zum Friseur, Zahnarzt usw nehme ich den Konzentrator mit. Falls ich ausschließlich mit Maske und Druckatmung leben muss, wird eben manches im Haus geleistet werden müssen, ich habe keine Angst, auch dies zu regeln. Ich bin83 und habe die Erfahrung, dass ichimmer irgendwie die Dinge regeln konnte, so dass das Leben lebenswert blieb, auch und gerade mit NIV.

Birgit Wicht
3 Jahre zuvor

Seit vielen Jahren leide ich unter Copd mit Emphysem ,jetzt wird es leider immer schlimmer ,habe schon mit meinem Doktor gesprochen, ob ich nicht O2 bekommen kann bin allein und die normalen Alltagspflichten , ja brauchen viel mehr Zeit wie sonst ,ich rauche schon ewig nicht mehr ,trotzdem sagt mein Dock für Sauerstoff ist es noch nicht Zeit da meine Sättigung zwischen 93 und 97 % liegt ,also was kann ich tun damit es etwas besser geht

elma hendlmeier
3 Jahre zuvor

Seit genau 13 Jahren bin ich von heut auf morgen zur NIV Beatmung „verurteilt “ worden. Dank einer technischen Assistentin wurde ich in der Lungenfachklinik behutsam und verständnisvoll an die Maske gewöhnt worden. Es dauerte nur 3 Tage stundenweise Übung und natürlich die psychische Begleitung dieser Krankenschwester, dass ich lernte, mich gleich nach dem Befestigen der Maske, mich der Druckgeschwindigkeit anzupassen und mich so quasi fallen zu lassen, und es ging mir gut. Jahrelang war alles gut, und ohne NIV könnte ich mich garnicht ins Bett legen. Es geht mir ebenso wie meinem Vorschreiber so, dass ich mich nicht auf den Rücken legen kann bei Behandlungen, auch ein Mittagschlaf ohne Maske ist undenkbar.
Leider habe ich aufgrund einiger familiärer Begebenheiten und fortschreitender COPD kurzweilig psychische Probleme bekommen, d. h. schlaflose Nächte oder längere Unterbrechungen des Schlafes, die es mir unmöglich machen, die Maske wieder aufzusetzen, ohne Platzangst oder unkontrolliertes Herzrasen zu bekommen.

Willi Krampe
3 Jahre zuvor

Ich benutze das NIV nun fast ein Jahr. Hatte am Anfang große Probleme bis die richtige Einstellung gefunden war. Habe aber immer noch Probleme beim aufsetzen der Maske um mich auf die Atmung einzustellen und des morgens dauert es bis zu einer Stunde das ich mich umgestellt habe. Aber trotz dieser Probleme möchte ich nicht mehr darauf verzichten.

Klaus Hinken
3 Jahre zuvor

Ich habe jetzt seit genau 3 Jahren die NIV-Beatmung.
Ich komme gut damit zurecht, d. h., ich schlafe sehr gut und habe sehr gute Werte.
Ich habe nur ein großes Problem: ich bin abhängig von der Beatmung.
Mir ist es nicht mehr möglich, ohne die NIV zu liegen, geschweige denn zu schlafen.
Das geht so weit, dass jede med. Untersuchung, die im Liegen durchgeführt wird, für mich unglaublich anstrengend ist. Selbst Zahnarztbesuche z.B. sind für mich ein wahrer Horrortrip.
Dadurch haben sich für mich auch Zukunftsängste entwickelt.
Was ist bei bettlägerigen Krankenhausaufenthalten oder oder später bei Pflegebedürftigkeit?
Ich würde lieber heute als morgen von der NIV entwöhnt werden.

Gruß K.H.

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