Das Gesundheitsverhalten beeinflußt den Krankheitsverlauf
Wer regelmäßig die Beiträge hier im Blog „Kopfsache“ liest, für den ist es keine neue Information: Bei chronischen Lungenerkrankungen (zum Beispiel bei COPD oder Asthma) spielt das Gesundheitsverhalten des Patienten eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf. Das fängt mit den Risikofaktoren Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel an und endet noch lange nicht bei den Präventionsmaßnahmen wie Infektionsschutz und Stärkung des Immunsystems.
Diese Schlagworte verweisen auf eine zweite Herausforderung aus dem umfangreichen Themenkatalog, der im Blog-Beitrag „Chronische Lungenerkrankungen: Ohne Kümmerer läuft nichts!“ nachzulesen ist.
Herausforderung 2: Das Gesundheitsverhalten des Patienten unterstützen
Herausforderung Nummer 2 verlangt von Kümmerern einerseits eine Menge theoretischen Wissens über die Hintergründe und der Verlauf der chronischen Lungenerkrankung. Sie müssen die Bedeutung von Rauchen, körperlicher Aktivität, Ernährung, Medikamenten, Arztkontakten, usw. kennen und erklären können. Und – nicht zu vergessen: Sie müssen den Patienten tagtäglich in einem angemessenen Gesundheitsverhalten wirkungsvoll unterstützen.
Die Liste der Aufgaben ist umfangreich:
- Kümmerer sollen dazu beitragen, das gesunde Verhalten der Patienten zu fördern, Risikoverhalten vorzubeugen und körperliche Aktivität zu regulieren.
- Sie sollen nahrhafte und leicht zu verspeisende Mahlzeiten zubereiten, um den Ernährungsbedürfnissen der Patienten zu entsprechen, insbesondere bei Appetitmangel.
- Sie sollen die Patienten ermutigen, potenziell gefährliche Verhaltensweisen zu vermeiden und ständig wachsam sein, um Situationen zu vermeiden, die eine Verschlimmerung der Krankheit auslösen können.
- Am schwierigsten zu ändern ist sicherlich die Gewohnheit zu rauchen. Manchmal müssen Kümmerer mit dem Patienten verhandeln, um das Rauchen zu reduzieren.
- Um das Auftreten von Atemnot zu verhindern, sollen Kümmerer die körperliche Aktivität der Patienten regulieren, indem sie ihnen entweder Grenzen setzen oder sie ermuntern, mehr zu tun, je nach dem klinischen Zustand des Patienten. Kümmerer sollen also lernen zu unterscheiden, wie das Aktivitätsniveau an die Aktivitätstoleranz angepaßt werden kann.
Kümmerer als Motivations-Coach
Der Blog-Beitrag „Chronische Lungenerkrankungen: Ein „Mundwerkskasten“ für Patienten und Kümmerer“ zeigt bereits die zahlreichen Balanceakte, die Kümmerer vollbringen, um die Bewältigungsstrategien der Patienten besser zu verstehen und sie emotional stabil zu halten.
Im heutigen Blog-Beitrag liegt das Augenmerk darauf, wie Kümmerer die Motivation und die Adhärenz (Therapietreue) der Patienten stärken können.
Motivation und Adhärenz sind zwei wichtige Pfeiler, auf denen ein angemessenes Gesundheitsverhalten ruht. Diese beiden Pfeiler zu stärken, verlangt jedoch von Kümmerern weitere Balanceakte.
Der schmale Grat zwischen „ermuntern“ und „entmündigen“
Ermunterung und Ermutigung: Das sind hilfreiche Unterstützungsformen, die vor allem durch eine angemessene Kommunikation vermittelt werden.
Entmündigung soll vermieden werden. Keine leichte Aufgabe. Eine ausschlaggebende Rolle spielt auch hier die Kommunikation.
Zwischen Ermunterung und Entmündigung liegt noch die Station „erleichtern“. Hier steht das gemeinsame Tun im Zentrum. Um zu einem gemeinsamen Tun zu gelangen, bedarf es allerdings zuvor meist auch wieder einer gelungenen Kommunikation.
Den Patienten motivieren und „bei der Stange halten“
Wie sollte das „Ermuntern“ und „Ermutigen“ zu angemessenem Gesundheitsverhalten aussehen, damit Patienten diese Unterstützung tatsächlich annehmen können?
Folgende Kommunikations-Grundsätze können dabei helfen:
- Sprechen Sie von einem ganz bestimmten, konkreten Gesundheitsverhalten des Patienten, das Sie als Kümmerer gemeinsam mit ihm ändern wollen.
- Gehen Sie auf Ihre Gedanken, Einschätzungen, Gefühle bezüglich dieses konkreten Gesundheitsverhaltens ein.
- Arbeiten Sie die Gedanken, Einschätzungen, Gefühle des Patienten bezüglich dieses konkreten Gesundheitsverhaltens heraus.
- Schaffen Sie eine gemeinsame Basis für eine Änderung des Gesundheitsverhaltens.
Sie können gleich mit dem Kommunikations-Training beginnen.
Gesprächs-Übung 1: Ermuntern und ermutigen
Als Einstieg in diese durchaus anspruchsvollen Aufgaben bieten sich beispielsweise folgende Formulierungen an:
„Ich habe mir für das neuen Jahr mehr Bewegung an frischer Luft vorgenommen. Das täte uns vermutlich beiden gut…“
„Ich kann mir vorstellen, daß eine tägliche Runde durch den Park für Dich noch eine größere Hürde bedeutet als für mich…“
„Was meinst Du: Werden wir es einen Monat lang schaffen, gemeinsam unsere inneren Schweinehündchen Gassi zu führen…?“
Gesprächs-Übung 2: Erleichtern
Studien belegen, dass die eigene körperliche Aktivität von Kümmerern einen entscheidenden Einfluss auf die körperliche Aktivität der Patienten hat. Das „gute Beispiel“ scheint tatsächlich ein wirksames Motivations- und Führungsinstrument zu sein.
Mit folgenden Formulierungen könnte man diese Erkenntnis nutzen, um Patienten ein anspruchsvolles Gesundheitsverhalten zu erleichtern.
„Ich habe mir für das neuen Jahr mehr Bewegung an frischer Luft vorgenommen. Das täte uns vermutlich beiden gut…“
„Ich kann mir vorstellen, dass eine tägliche Runde durch den Park für Dich noch eine größere Hürde bedeutet als für mich…“
„Was meinst Du: Werden wir es einen Monat lang schaffen, gemeinsam unsere inneren Schweinehündchen Gassi zu führen…?“
Gesprächs-Übung 3: Entmündigung vermeiden!
Manchmal kommt ein Kümmerer als Motivations-Coach an seine Grenzen. Dann rutscht ihm vielleicht eine Bemerkung wie die folgende heraus:
„Wenn Du Deine Tabletten nicht nimmst, muß ich sie Dir wohl unters Essen mischen!“ oder „Wenn Du nicht mit dem Rauchen aufhörst, kannst Du Dir gleich einen Sarg kaufen!“
Das sind verständliche Reaktionen aus Sorge um das Wohl des Patienten. Aber es sind meist keine hilfreichen Reaktionen. Denn eine solche „Entmündigung“ provoziert in der Regel noch mehr Vermeidung und Abwehr.
Welche Formulierungen bieten sich an, wenn es um schädliches Gesundheitsverhalten geht und dennoch eine Entmündigung des Patienten vermieden werden soll?
„Ich bin sehr besorgt, weil Du trotz Deiner Lungenkrankheit weiter rauchst…“
„Ich wünsche mir noch möglichst viele Jahre mit Dir und möchte Dich deshalb vor weiteren Lungenschäden durch das Rauchen bewahren…“
„Magst Du mir (noch einmal) verständlich machen, warum Dir ein Verzicht auf das Rauchen so schwer fällt…?“
„Ich verstehe jetzt Deine Beweggründe und Deine Hindernisse besser. Wie können wir trotzdem dafür sorgen, daß Du auf das Rauchen verzichtest…?“
„Wie kann ich Dich konkret bei einem Nikotin-Entwöhnungsprogramm unterstützen…?“
Alle Formulierungen sind nur Beispiele, die an die jeweilige Persönlichkeit von Patienten und Kümmerer und an das individuelle Gesundheitsverhalten angepaßt werden sollten.
Der wichtigste Grundsatz lautet dabei wieder: Unterstützung setzt Bereitschaft bei beiden Partnern der „Behandlungs-Einheit“ voraus – bei Patient und Kümmerer!
Quellen:
– Foto: fizkes / Shutterstock.com