Inhaltsübersicht
- Die Lunge ist ein Wunder – doch sie ist nicht trainierbar
- Die Lunge selbst ist nicht trainierbar
- Die Einatmung – Inspiration
- Die Ausatmung – Exspiration
- Der Unterschied zwischen Atemmuskeltraining und Atemtherapie
- Atemtherapie bei Asthma und COPD
- Atemtraining bei Asthma und COPD
- Mehr Lungenvolumen – mehr Sauerstoff
- Fazit: Atemtherapie und Atemtraining sind wichtig
Die Lunge ist ein Wunder – doch sie ist nicht trainierbar
Dazu hilft eine generelle Einführung in unser Wunder-Organ: Die Lunge eines erwachsenen Menschen wiegt im Schnitt 1,3 Kilo; wir haben rund 300 Millionen Lungenbläschen und kommen auf eine Gesamtoberfläche von etwa 100 m2. Es passen etwa sechs Liter Luft hinein und wir nehmen täglich 10.000 bis 20.000 Liter Luft auf. Beeindruckend, oder?
Unsere Atmung ist für weitaus mehr zuständig als die Versorgung mit lebenswichtigem Sauerstoff: Sie kann sehr sensibel auf Stimmungen reagieren – wem ist nicht schon mal in einer spannenden oder gruseligen Filmszene sprichwörtlich „der Atem stillgestanden”? Mithilfe der Atmung können wir uns umgekehrt aber auch entspannen, indem wir bewusst tiefer und ruhiger atmen. Genauso kommen wir „außer Atem”, wenn wir uns körperlich anstrengen.
Die Lunge selbst ist nicht trainierbar
Im Gegensatz zu unserem Herzen hat die Lunge selbst keine Muskulatur. Das bedeutet: Wir können unsere Lunge gar nicht wirklich trainieren. Denn nicht sie ist es, die unsere Ein- und Ausatmung steuert, sondern die Atemmuskulatur. Dazu gehört zum Beispiel unser Zwerchfell, über das die meiste Kraft beim Atmen generiert wird. Rund 90 % unserer Atemkraft kommt über das Zwerchfell, fachsprachlich Diaphragma. Aber wie funktioniert das genau?
Die Einatmung – Inspiration
Die Lunge dehnt sich beim Einatmen aus und das Zwerchfell verschiebt sich nach unten. Durch das Zusammenziehen des Zwerchfells wird der Raum im Oberkörper größer – die Lunge wird aufgespannt. So kann die mit Sauerstoff angereicherte Luft bis in die kleinsten Atemwege und Lungenbläschen vordringen. Durch den Zug der Muskulatur, die auch die Rippen anhebt und senkt – Interkostalmuskulatur genannt – wird bis in den letzten Quadratmillimeter der Lunge hinein ein negativer, also ein Unterdruck generiert.
Die Ausatmung – Exspiration
Die Ausatmung findet dagegen ganz ohne Belastung passiv statt – sie kann aber durch Anspannung der Atemhilfsmuskulatur in Hals, Brust und Bauch verstärkt werden. Besonders deutlich spüren wir die Kraft dieser Muskulatur, wenn wir niesen und die Luft mit rund 165 km/h aus der Nase schießt. Bei der Ausatmung entspannt sich das Zwerchfell – der Raum für die Lunge wird kleiner. Ein positiver Druck entsteht, der die mit Kohlenstoffdioxid angereicherte Luft aus den Alveolen, also den Lungenbläschen, „herausdrückt“. So viel zum Hintergrund. Doch wo liegt nun der Unterschied zwischen Atemmuskeltraining und Atemtherapie?
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Der Unterschied zwischen Atemmuskeltraining und Atemtherapie
Zusammengefasst unter der Begrifflichkeit der „atemtherapeutischen Maßnahmen“ spricht man von:
- Atemmuskeltraining – wenn die forcierte, also kraftvolle und schnelle Atmung gezielt zur Steigerung von Kraft und Ausdauer eingesetzt wird
- Atem(physio)therapie – wenn die prolongierte, verlängerte Atmung gezielt zur Verringerung der Atemfrequenz eingesetzt wird
Atemtherapie bei Asthma und COPD
Eine physiotherapeutische Atemtherapie verhilft Patient:innen mit chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD zu einem leichteren Atmen. COPD und Asthma sind obstruktive Lungenerkrankungen, das bedeutet, sie führen zu einer Verengung der Atemwege. Doch welche atemphysiotherapeutischen Möglichkeiten bieten sich nun an?
In erster Linie geht es hier darum, die möglichst uneingeschränkte Atmung wiederherzustellen. Dazu gehören unter anderem folgende Maßnahmen:
- Atemtechniken, die die Atemnot lindern, beispielsweise die Lippenbremse oder der Kutschersitz
- Hustentechniken, die dabei helfen, effektiv abzuhusten und festsitzendes Sekret nach oben zu befördern
- Atementspannungstechniken, die das Atembewusstsein entwickeln und Stress abbauen
- Dehnübungen, die die Beweglichkeit verbessern – insbesondere die des Brustkorbs
- Die Anwendung von Atemtherapiegeräten, die die Atemwege weiten und möglichst auch von Schleim befreien (durch Oszillationen, also Vibrationsschwingungen)
Atemtraining bei Asthma und COPD
Ergänzend zur Kräftigung der Muskulatur sorgt es dafür, den Atemrhythmus zu verbessern und besser zu kontrollieren. Atemwegserkrankungen als auch Operationen oder Stress führen dazu, dass viele Patient:innen zu kurz ein- und wieder ausatmen. Die Folge: eine unzureichende Belüftung der Lunge. Das Training der Atemmuskulatur hilft. Dabei geht es darum, den Atemzyklus zu verlängern und die Atemfrequenz zu reduzieren. Die Ausatmung – im Fachjargon Exspiration genannt – sollte möglichst doppelt so lange dauern wie die Einatmung – auch als Inspiration bezeichnet. So kann genügend CO2 abgeatmet werden. Während Menschen mit Erkrankungen häufig über 20 x in der Minute ein- und wieder ausatmen, kommt ein gesunder, in Ruhe atmender Erwachsener oft nur auf 10 bis 12 Atemzyklen. Das Ziel der Atemtherapie ist es daher, verlängernde Atemmanöver durchzuführen und die Atemzüge pro Minute zu reduzieren. Vergleichbar mit Ausdauertraining, das zum Ziel hat, unseren Herzschlag pro Minute zu reduzieren.
Die wichtigste Regel für Lungen-Patient:innen aller Art ist: Hauptsache, aktiv bleiben. Wer an einer chronischen Lungenerkrankung leidet, läuft Gefahr, durch Atemnot, Husten und eingeschränkte Belastbarkeit in eine Abwärtsspirale der Inaktivität zu geraten. Doch das verschlimmert die Probleme immer weiter – es kommt langfristig zum Muskelabbau und die Kondition leidet. Doch was bietet sich hier an?
Neben Lungensport ist auch Krafttraining eine sichere und effektive Methode gegen muskuläre Dysfunktionen und ein wichtiger Baustein der therapeutischen Maßnahmen. Insbesondere die COPD führt häufig zu einem Paket an Begleiterkrankungen. Regelmäßig durchgeführtes Krafttraining hat einen positiven Einfluss auf die Knochendichte, Blutfettwerte und den Blutdruck im Ruhezustand. Ebenso gibt es günstige Nebeneffekte für den Zuckerstoffwechsel bei Diabetespatient:innen – und auch Rückenschmerzen können dadurch gemindert werden. Grundsätzlich empfiehlt es sich aber, nur nach ärztlicher Rücksprache mit neuen sportlichen Einheiten durchzustarten.
Mehr Lungenvolumen – mehr Sauerstoff
Bei vielen Erkrankungen ist es entscheidend, neben der zeitlichen Dauer des O2/CO2-Austausches auch die Größe des Lungenvolumens zu betrachten. Ist die Zugkraft des Zwerchfells beispielsweise durch Operationen reduziert, kann während der Einatmung nur ein Bruchteil der notwendigen Sauerstoffmenge aufgenommen werden. Erfreulicherweise gibt es hier einen Weg, um dem Zwerchfell mit etwas “Krafttraining” unter die Arme zu greifen: das forcierte Atemmanöver. Klingt kompliziert? Ist es nicht! Den meisten Patient:innen ist bereits vom regelmäßigen Lungenfunktionstest bekannt, wie das aussehen kann. Denn hier baut das Testgerät plötzlich einen Widerstand auf, gegen den es weiterzuatmen gilt – und danach soll man so viel Luft ausatmen, wie man nur kann. Solche Techniken sind nicht nur gute Indikatoren für die Lungengesundheit. Sie können auch als Training für Zwerchfell und Co. genutzt werden.
Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn man plötzlich von Atemnot geplagt wird: Jetzt wäre es fatal, das gestresste System zusätzlich noch durch eine schnellere Atmung zu belasten. In diesem Fall sollte dafür gesorgt werden, dass die Atemwege lange offenbleiben – also die Atmung verlängert oder verlangsamt wird, um den Gasaustausch zu verbessern.
Was tun bei Atemnot durch Asthma?
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Fazit: Atemtherapie und Atemtraining sind wichtig
Es wird deutlich: Die Unterstützung der Atmung und somit Lungenfunktion kann ganz unterschiedliche Formen annehmen und individuelle Ziele verfolgen. Beides – Atemtraining über die Einatmung und Atemtherapie über die Ausatmung – ist wichtig. Wenn auch im Alltag nicht immer genau zwischen Therapie und Training unterschieden wird, möchten wir es in diesem Satz zusammenfassen: Die Atemwege brauchen Weite und die Atemmuskulatur Kraft. Beides ist wichtig. Wenn es dann noch möglich ist, die Atemzüge zu verlangsamen und die Ausatmung zu verlängern, dann läuft es richtig gut.
Die Atmung ist ein zentraler Baustein für unser körperliches und geistiges Wohlbefinden. Es ist daher sinnvoll, dass wir uns mit ihr auseinandersetzen – unabhängig davon, ob man an einer Lungenerkrankung leidet oder nicht. Es gibt viele unterschiedliche Ansätze und wir Menschen sind individuell. Wer diese Möglichkeiten kennenlernt und für sich ausprobiert, findet heraus, was guttut – und was nicht. Das ist ein hilfreicher Weg zu einer besseren Gesundheit für jeden von uns und zu einem Leben in Wohlbefinden, für das unsere Atmung ein zentraler Baustein ist.
Quellen:
– WidO, Gesundheitsatlas Deutschland, COPD, Mai 2021 & Gesundheitsatlas Deutschland, Asthma, Oktober 2020 (https://www.gesundheitsatlas-deutschland.de/)
– Healthcare Marketing 12/2021, Seite 45
– Unsere Lunge: Anatomie, Aufbau & die Physiologie der Atmung verstehen – Doktor Weigel (https://youtu.be/MoMgfD1oYYo)
– Foto: Magic mine / Shutterstock.com