Akzeptanz und Selbstfürsorge – Leben mit einem kranken Angehörigen

Heike Lingemann pflegte und unterstützte ihren an Lungenemphysem und COPD erkrankten Mann 23 Jahre lang.
 | 25.02.2025

Als bei meinem Mann im Jahr 2000 ein schweres Lungenemphysem diagnostiziert wurde, änderte sich unser Leben von hier auf heute um 360°. Zu diesem Zeitpunkt war ich erst 35 Jahre alt, ein Alter, in dem man andere Pläne und Träume vom Leben hat, als sich von nun an einer chronischen Erkrankung anpassen zu müssen. Damit umzugehen und den gesamten Alltag umzustellen, hat eine Weile gebraucht.

„Es war ein sich ständig verändernder Prozess“

Geholfen hat dabei in erster Linie die Akzeptanz der neuen Situation und natürlich die Information über die medizinischen und therapeutischen Möglichkeiten. Dennoch war es ein sich ständig verändernder Prozess, auch für unsere Söhne, die zum Zeitpunkt der Diagnosestellung erst 5 und 12 Jahre alt waren. Eine Erkrankung wie die COPD/Lungenemphysem ist irreversibel, d.h. sie schreitet unweigerlich voran, mal mehr, mal weniger und im besten Fall stagniert dieses Voranschreiten für eine Weile. Für mich war es ein Glücksfall, dass mein Partner sich nicht in schweren Gedanken und Depressionen verlor, sondern sich sehr schnell und intensiv damit befasste, das Beste aus der unabänderlichen Situation zu machen und im Laufe der Jahre ein beispielloses Informationsnetzwerk aus Onlineplattformen, Selbsthilfegruppen, Patientenratgebern und Großveranstaltungen aufbaute.

Selbstverständlich funktionierte das alles nur mit meiner Unterstützung, die fortan immer umfangreicher wurde, sowohl bei seinen Projekten, als auch bei der Pflege der langsam, aber stetig fortschreitenden Erkrankung, bei der allein es nicht blieb, weitere kamen hinzu. Ich habe meinen Mann 23 Jahre unterstützt und gepflegt, es waren so unglaublich viele Stationen der Verschlechterung seines Zustandes in dieser Zeit, dass es nicht möglich ist, all dies hier unterzubringen.

Akzeptanz, Zusammenhalt und Herausforderungen

Das Wichtigste war für mich die Akzeptanz der jeweiligen Situation. Dass diese Akzeptanz im Laufe der Jahre teilweise immer wieder auf eine harte Probe gestellt wurde, ist vollkommen normal. Der Zusammenhalt in der Familie ist dann eine große Hilfe. Leider stehen heutzutage immer mehr Angehörige mit allem ganz alleine da. Die finanzielle Unterstützung seitens der Pflegekasse ist dann noch weniger als ein schwacher Trost, denn sie steht in keinerlei Verhältnis zu dem, was ein nahestehender Mensch leisten und bewältigen muss. Es gilt große Hürden zu überwinden, um Ansprüche durchzusetzen, die das Leben des Erkrankten und des Pflegenden erleichtern können. Bei aller Liebe zum Partner und bei aller Fürsorge, die man gerne leistet, darf nie vergessen werden, das häusliche Pflege Schwerstarbeit sein kann. Wer sich überfordert fühlt, sollte sich niemals scheuen, um Hilfe zu bitten. Ich kann keine Erfahrungen weitergeben, da jede Erkrankung, jeder Mensch, jedes Empfinden und jede Beziehung zwischen Pflegenden und Betroffenen anders ist.

„Pflege bedeutet nicht Selbstaufgabe“

Die Pflege meines Mannes hat über zwei Jahrzehnte mein Leben geprägt und rückblickend kann ich sagen, dass es eine schöne und erfahrungsreiche Zeit war, in der ich unzählige, wunderbare Menschen in der Selbsthilfe kennenlernen durfte. Menschen, die noch einen viel größeren „Rucksack“ schultern mussten und dennoch Freude am Leben empfanden. Fakt ist: Pflege bedeutet nicht Selbstaufgabe. Vorausgesetzt man vergisst sich dabei nicht selbst, nimmt sich als eigenständigen Menschen wahr und nimmt sich Auszeiten. Manchmal reicht schon ein langer Spaziergang, ein Kinobesuch oder ein Treffen mit Freunden/Bekannten bei denen die Gespräche sich nicht um Krankheiten drehen.

Mir hat in all den Jahren meine Familie, die Meditation und die Liebe zur Natur große Kraft geschenkt. Mit dem Tod meines Mannes im Jahr 2023 begann ein weiteres Mal die Notwendigkeit der Akzeptanz einer völlig neuen Lebenssituation. Ein Prozess, der bis heute nicht abgeschlossen ist und erneut all meine Aufmerksamkeit, Kraft und Selbstfürsorge einfordert.

Heike Lingemann

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4 Kommentare

  1. Guten Abend

    Ich finde es grossartig, wenn die Liebe stärker bleibt, als die Krankheit. Ich kämpfe seit 12 Jahren (Stufe 3 von 4). Der Garten, mein geliebter Mann, der an meiner Seite ist und unsere Kätzin geben mir Kraft. Und doch – es ist hart ein Kampf zu führen, den man letztlich verliert.

    Nun, ich wünsche allen COPD-Kämpfern viel Kraft und ich bin dankbar, dass es diese Seite gibt, wo wir Gleichgesinnte uns austauschen können.

    Danke

    http://www.xenophilie.ch

    Antworten
  2. Mit großem Interesse habe ich disen Artikel gelesen.Ich bin 80 Jahre und leide auch unter COPD.i Ich versuche das Beste daraus zu machen, leider fehllt mir die Erfahrung.Ich habe große Probleme beim Atmen.Besonders in der Nacht.Vielleicht kann mir jemand Ratschläge zusenden.Ich würde sie dankbar annehmen Auf jeden Fall macht mir dieser Artikel viel Mut.wel ich weiß,dasß ich nicht alleine bin.
    Liebe GRüße B Zischke

    Antworten
  3. Guten Tag
    Ich habe mich immer sehr über das Engagement von Ihnen zweien gefreut und und es hat mir viel geholfen. Vielen Dank für Ihre Bemühungen
    Ein COPD Kämpfer
    Liebe Grüße

    Antworten
    • Auch in meinem Fall der so ähnlich ist, habe ich das große Glück solch eine Angehörige an meiner Seite zu haben. Meine Lebensgefärtin ist in allen Belangen da, da es aber noch viele gute Tage gibt ist und ich noch recht selbständig bin haben wir gemeinsam eine Zeit auf der wir auf vieles verzichten aber auch wo wir Erfahrungen und Eindrücke erleben die uns fest zusammenschweißen. Dieses hat nichts mit CoAbhängigkeit,w wie zum Beispiel bei Alkoholikern zu tun, Natürlich belastet die Krankheit, die über so viele Jahre geht, beide Parteien. Und ich bin auch der festen Überzeugung das es NICHT jedem gegeben ist, Angehörige über einen solch langen Zeitraum zu betreuen und zu pflegen. Ich jedenfals habe das ganz große Glück.
      DANKE LIEBE ERIKA

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