Chronische Lungenerkrankungen: Ohne Kümmerer läuft nichts! (Teil 1)

Schon lange ist durch Studien belegt: Für die Verarbeitung und den Verlauf von chronischen Lungenerkrankungen ist der Einsatz der Angehörigen unverzichtbar. Aber es ist auch bekannt: Kümmerer sind teilweise schwer belastet.

Eine chronische Lungenerkrankung trifft nicht nur den Patienten

Die Kümmerer von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen (das sind meist Familienangehörige, aber auch Freunde oder Nachbarn, die Unterstützung leisten) leiden nicht nur unter psychischen Beschwerden und Burnout-Zeichen. Mitunter sind diese Symptome bei ihnen sogar noch ausgeprägter als bei den betroffenen Patienten. Zudem gibt es Wechselwirkungen zwischen den Belastungssymptomen von Patienten und Kümmerern.

Die chronische Lungenerkrankung als „Wir-Krankheit“ wahrnehmen

Die Befunde zu den Auswirkungen einer chronischen Lungenerkrankung auf die Kümmerer signalisieren Handlungsbedarf. Denn: Ohne Kümmerer läuft nichts! Sie haben enormen Einfluss auf die Krankheitswahrnehmung der Patienten und auf den Krankheitsverlauf.

Erfreulich ist es daher, dass sich der Blick der Forscher und Behandler zunehmend auf das Zusammenwirken von Patienten und Kümmerern (auf die sogenannte „Behandlungs-Einheit“) bei chronischen Lungenerkrankungen richtet.

Und noch erfreulicher ist der damit verbundene Paradigmenwechsel:

  • Wie können die Belastungen der „Wir-Krankheit“ als Herausforderungen beschrieben werden?
  • Welche konkreten Unterstützungsangebote können im Hinblick auf die Herausforderungen entwickelt werden?

Welche Herausforderungen gibt es für Kümmerer bei chronischen Lungenerkrankungen?

Eine aktuelle Übersichtsstudie untersucht die individuellen Erfahrungen von insgesamt 163 Kümmerern von COPD-Patienten. Die Ergebnisse spiegeln sehr anschaulich wider, was Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und ihre Angehörigen tagtäglich bewältigen und wovon sie immer wieder berichten. Es lohnt sich, in einem ersten Schritt diese Erfahrungen präzise wahrzunehmen.

Grundsätzlich werden zwei Konstellationen unterschieden:

  1. Herausforderungen in stabilen Phasen der COPD
  2. Herausforderungen bei akuten Exazerbationen (AECOPD)

Diesen beiden Konstellationen lassen sich insgesamt sechs Themen zuordnen.

Die 1. Konstellation (stabile Phasen) umfasst 4 Themen.

  • Thema 1: Die Krankheit stabil halten
  • Thema 2: Das Gesundheitsverhalten des Patienten (Rauchen, Bewegung, Ernährung, Medikamenteneinnahme, Arztbesuche, usw…) unterstützen
  • Thema 3: Ein normales Leben gewährleisten
  • Thema 4: Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL = Hygiene, Haushaltsführung, soziale Kontakte, usw.) ermöglichen

Die 2. Konstellation (akute Exazerbationen) umfasst die beiden restlichen Themen.

  • Thema 5: Krankheitszeichen prüfen und Behandlung anpassen
  • Thema 6: Exazerbationen meistern

Welchen Kompetenzen sind für die Bewältigung der Herausforderungen gefragt?

Die vielfältigen Herausforderungen erfordern ebenso vielfältige Bewältigungsstrategien. Die erwähnte Übersichtsstudie ermittelte eine lange Liste mit insgesamt neun Fähigkeiten, die Kümmerer zur Unterstützung der Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen einsetzen:

  1. organisieren
  2. schulen, informieren
  3. entscheiden
  4. erspüren
  5. aktiv werden, handeln
  6. zusammenarbeiten
  7. eintreten für, sich einsetzen für
  8. motivieren
  9. kommunizieren

Auf welchen Wegen unterstützen Kümmerer die Selbstfürsorge der Patienten?

Der Einsatz der Kümmerer erfolgt optimalerweise als Hilfe zur Selbsthilfe für die Patienten. Diese Unterstützung der Selbstfürsorge erfolgt, je nach Konstellation, auf folgenden Wegen:

  • Weg 1: Kümmerer helfen Patienten, körperlich stabil und emotional ausgeglichen zu bleiben.
  • Weg 2: Kümmerer helfen Patienten, ihre Symptome adäquat wahrzunehmen und zu beachten.
  • Weg 3: Kümmerer helfen Patienten, ihr Selbst-Management angemessen anzupassen.

Keine leichte Übung: der Umgang mit Höhen und Tiefen

Chronische Lungenerkrankungen sind Achterbahn-Fahrten für Patienten und Kümmerer. Die Erfahrung der Höhen und Tiefen werden zudem mit dem Fortschreiten der Erkrankung länger, stärker und häufiger. Das gilt für körperliche und psychische Beschwerden gleichermaßen.

Entsprechend flexibel müssen Kümmerer ihre Unterstützung anpassen: In stabilen Phasen können sie sich ein wenig zurücknehmen. Bei akuten Verschlechterungen (AECOPD) ist ihr entschlossener und intensiver Einsatz mitunter über längere Zeit gefragt.

Patienten und Kümmerer als „Behandlungs-Einheit“ unterstützen

Noch einmal: Ohne Kümmerer läuft nichts! Der Beitrag von Kümmerern, besonders in fortgeschrittenen Krankheitsstadien, ist unverzichtbar. Deshalb gebührt Kümmerern nicht nur die Aufmerksamkeit der Forscher und Behandler. Es gilt auch, mit Blick auf die Befunde von Studien zu diesem Thema, die notwendigen Angebote zur Unterstützung zu entwickeln.

Werkzeuge aus einem „Handwerkskasten“ für die „Behandlungs-Einheit“ aus Patienten und Kümmerern stellen die kommenden Blog-Beiträge vor. Zunächst aber noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zur „Behandlungs-Einheit“.

Weshalb der „Handwerkskasten“ für Patienten und Kümmerer eigentlich einen anderen Namen verdient

Damit die „Behandlungs-Einheit“ (das Team aus Patient und Kümmerer) die vielfältigen Herausforderungen einer chronischen Lungenerkrankung meistern kann, benötigt es unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, Werkzeuge und Strategien.

Der „Handwerkskasten“ ist im Grunde ein „Mundwerkskasten“. Denn Grundlage der meisten Bewältigungsstrategien ist eine gute Verständigung, eine gelingende Kommunikation.

Einander zuhören, sich verständigen und verstehen, gemeinsam entscheiden, handeln, prüfen, anpassen … all diese wichtigen Bewältigungsschritte können nur gelingen, wenn eine offene Kommunikation praktiziert wird.

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass der Austausch zwischen Menschen gelingt. Kommunikation ist meist deshalb so schwierig, weil das Gesagte, das Gemeinte und das Wahrgenommene nicht übereinstimmen.

In vielen Fällen können Missverständnisse und ihre Folgen vermieden werden, wenn einige grundlegende Kommunikations-Regeln beachtet werden. Allgemein bekannt sind in diesem Zusammenhang die Grundlagen des Aktiven Zuhörens:

  • das Gesagte wahrnehmen
  • das Gemeinte durch Rückmeldung reflektieren, bewerten und einordnen
  • erst dann auf das Wahrgenommene reagieren (in Worten oder Taten)

Das klingt einfach – ist aber anspruchsvoll!

Weil gelingende Kommunikation – gerade auch unter den Stressbedingungen einer chronischen Lungenerkrankung – nicht immer leichtfällt, stellen die folgenden Blog-Beiträge ein paar hilfreiche Beispiele aus dem „Mundwerkskasten“ für Patienten und Kümmerer vor.

Quellen:
– Foto: Fizkes / Shutterstock.com

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3 Kommentare
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Irene Schuhmacher-Reidel
3 Jahre zuvor

Bin auch betroffen, COPD 4 und Asthma und vor einem halben Jahr Covid oben drauf. Ich lebe allein und habe auch keine Verwandten in der näheren Umgebung. Ich hatte schon vorher einen Antrag auf eine Betreuung gestellt und diese wurde auch zügig genehmigt. Das klappt sehr gut. Ich bin noch mobil, fahre Auto und kaufe selbständig ein. Habe aber montags Yoga, mittwochs Rehasport und donnerstags Krankengymnastik. Sauerstoff über Nacht, Pflegestufe 2 noch bis Ende Oktober, danach nur noch 1, was mir aber erstmal reicht. Für den Schweregrad der Krankheit geht es mir sehr gut, ohne meine Krankengymnastin aber undenkbar.

Jutta Marlene Heinz
3 Jahre zuvor

Ich bin betroffen und habe COPD III B. Ohne meine Familie und Nachbarn käme ich nicht zurecht. Trotzdem wurde der Antrag auf einen Pflegrad abgelehnt. Wie kann das sein. Jetzt erfolgt eine neue telefonische Befragung. Was kann ich tun um einen Pflegegrad zu bekommen?

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