Chronische Lungenerkrankungen: Ein „Mundwerkskasten“ für Patienten und Kümmerer (Teil 2)

Chronische Lungenerkrankungen sind „Wir-Krankheiten“. Patienten und ihre Kümmerer sind dabei nicht nur Betroffene, sonders als „Behandlungs-Einheit“ auch wichtige Gestalter des Krankheitsverlaufs.

Patient und Kümmerer als „Behandlungs-Einheit“: eine Bestandsaufnahme

Im Blog-Beitrag „Chronische Lungenerkrankungen: Ohne Kümmerer läuft nichts!“ werden die Wechselwirkungen zwischen den Belastungssymptomen von Patienten und ihren Angehörigen erwähnt. Außerdem wird auf die grundlegende Bedeutung einer gelingenden Kommunikation für die Krankheitsverarbeitung und den Krankheitsverlauf hingewiesen.

Damit die „Behandlungs-Einheit“ aus Patient und Kümmerer optimal zum Einsatz kommen kann, ist zunächst eine Bestandsaufnahme wichtig. Nehmen Sie sich in einer (möglichst entspannten) Situation Zeit für den Austausch über folgende Fragen:

  • Wie belastet ist unsere „Behandlungs-Einheit“?
  • Welche Bewältigungsstrategien haben wir
    – als Einzelne (als Patient für mich selbst? als Kümmerer für mich selbst?)
    – als „Behandlungs-Einheit“?

Häufige Bewältigungsstrategien sind beispielsweise:

  • funktionieren („business as usual“)
  • Humor (auch Galgenhumor, Sarkasmus)
  • verdrängen, betäuben (mit Alkohol, Nikotin, Essen, Online-Spielen, usw…)
  • ablenken
  • grübeln und sich ständig Sorgen machen
  • zurückziehen

Alle Bewältigungsstrategien werden in einem ersten Schritt zusammengetragen. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt eine gemeinsame Bewertung:

  • Was davon ist hilfreich und sollte beibehalten oder ausgebaut werden?
  • Was ist weniger hilfreich und sollte durch eine andere Strategie ersetzt werden?

Nach dieser Bestandsaufnahme folgen nun Anregungen für eine gute Kommunikation und eine gelingende Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen an Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und ihre Kümmerer. Die Darstellung orientiert sich an den sechs Herausforderungsthemen aus dem Blog-Beitrag „Chronische Lungenerkrankungen: Ohne Kümmerer läuft nichts!“

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19.10.2021

Chronische Lungenerkrankungen: Ohne Kümmerer läuft nichts! (Teil 1)

Schon lange ist durch Studien belegt: Für die Verarbeitung und den Verlauf von chronischen Lungenerkrankungen ist der Einsatz der Angehörigen unverzichtbar. Aber es ist auch bekannt: Kümmerer sind teilweise schwer belastet. Weiterlesen

Herausforderung 1: Die chronische Lungenerkrankung stabil halten

Diese Herausforderung verlangt vor allem von Kümmerern zahlreiche Balance-Akte. Sie versuchen, die chronische Lungenerkrankung des Patienten durch ganz unterschiedliche Bewältigungsstrategien stabil zu halten.

  • Durch Vermeiden von Belastungen (v. a. von emotionalem Streß) und dadurch bedingter Atemnot des Patienten. Daraus folgt für Kümmerer ein Zustand der Dauerabwägung: Wann reden? Wann schweigen? Wann fernhalten? Wann konfrontieren?
  • Durch Dosierung von Belastungen. Daraus folgt für Kümmerer die nächste Dauerabwägung: Wann Zuckerbrot (mit positiven Zielen motivieren)? Wann Peitsche (mit negativen Auswirkungen motivieren)?
  • Durch Zusammenarbeit mit Behandlern. Auch diese Bewältigungsstrategie verlangt eine Dauerabwägung: Wann bedeutet eine Aktion eine Entlastung für den Patienten? Wann ist sie möglicherweise eine Bevormundung oder Entmündigung?

Wie die Balanceakte zu einer hilfreichen Unterstützung führen können

Um die Dauerabwägungen leisten zu können, ist es sinnvoll, wenn Kümmerer

  • die Bewältigungsstrategien des Patienten besser verstehen
  • die Patienten vor allem emotional unterstützen

Mit den Bewältigungsstrategien haben Sie sich ja bereits bei der Bestandsaufnahme der „Behandlungs-Einheit“ auseinandergesetzt. Hier folgt also nur noch einmal der genauere Blick auf die Art und Weise, wie der Patient seine Erkrankung verarbeitet.

Jeder Patient greift dabei auf individuelle Strategien zurück (individuelles Coping). Einige Verarbeitungsversuche sind mitunter schwierig zu verstehen und anzusprechen, zum Beispiel, wenn Patienten:

  • das Krankheitsthema (und alles, was damit zusammenhängt) vermeiden
  • extrem gefühlsbetont mit dem Thema umgehen
  • zwanghaft noch Erklärungen und Lösungen suchen
  • sich passiv zurückziehen

Gerade in diesen schwierigen Konstellationen gelten die Hinweise aus dem Abschnitt über die gelingende Kommunikation: Für Kümmerer ist es (bei aller Belastung) wichtig, die Bewältigungsstrategien des Patienten zunächst ohne Bewertung wahrzunehmen. Erst dann erfolgt ein Austausch über die Wahrnehmung, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Bewältigungsstrategie und über mögliche Alternativen. Damit ist die Grundlage geschaffen für die wichtige emotionale Unterstützung des Patienten.

Den Patienten emotional unterstützen

Das emotionale Gleichgewicht von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen ist durch zahlreichen starke Gefühle gefährdet:

  • durch Angst
  • durch Frustration, Ärger, Wut, Aggression
  • durch Traurigkeit
  • durch Hoffnungslosigkeit
  • durch Schuld- und Schamgefühle

Diese starken Emotionen stecken häufig hinter scheinbar unverständlichen Bewältigungsstrategien. Deshalb ist es so wichtig, daß Kümmerer durch einfühlsame Gesprächsangebote an den Patienten mit ihm in einen Austausch über belastende Gefühle kommen und so das emotionale Gleichgewicht wiederherstellen.

Ein Einstieg in den Austausch über Ängste kann beispielsweise anhand folgender Formulierungen versucht werden:

Magst Du mir von Deiner größten Sorge erzählen, damit wir sie gemeinsam aushalten können?“

Sollen wir gemeinsam überlegen, welche zusätzlichen Informationen vom Arzt Deine Ängste beruhigen könnten?“

Wovor genau hast Du am meisten Angst? Sollen wir den Arzt fragen, wie wahrscheinlich es ist, daß Deine größte Befürchtung eintrifft?“

Würde es Dir helfen, den Worst Case (schlimmsten Fall) mal durchzuspielen?“

Erinnerst Du Dich daran, wie Du Deine Höhenangst bewältigt hast? Was hat Dir dabei am meisten geholfen?“

Welche Tätigkeit bringt Dich am schnellsten und besten auf andere Gedanken, wenn sich Ängste melden?“

Gibt es vertraute Menschen, deren Nähe Dich bei Ängsten beruhigt?“

Möchtest Du mit anderen lungenkranken Patienten (z. B. in einer Selbsthilfe-Gruppe) über Deine Sorgen sprechen?“

Kannst Du Dir vorstellen, wie professionelle Unterstützung (z. B. durch einen Coach, einen Therapeuten) Dir beim Umgang mit Deinen Ängsten helfen könnte?“

Das sind nur beispielhafte Formulierungen, die jeweils an die Persönlichkeit und die individuelle Situation des Patienten angepaßt werden sollten. Ähnliche Gesprächsangebote können Kümmerer den Patienten bei Frustration, Ärger, Wut, Traurigkeit und Schuldgefühlen machen.

Wichtig ist jedoch: Unterstützung setzt Bereitschaft bei beiden Partner der „Behandlungs-Einheit“ voraus – bei Patient und Kümmerer!

Im 3. Teil erfahren Sie, wie Sie als Kümmerer weitere Herausforderungen meistern können.

Quellen:
– Foto: Fizkes / Shutterstock.com

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