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Die Diagnose COPD kann alleine schon einschüchternd auf Patient:innen wirken. Doch im Zusammenhang mit der chronischen Lungenkrankheit gibt es noch andere sogenannte Begleiterkrankungen, also häufig auftretende zusätzliche Beschwerden. Doch was bedeutet das für die Betroffenen? Und was können sie tun, um ihre Gesundheit frühzeitig zu fördern?
80 Prozent der COPD-Patient:innen sind von weiteren Erkrankungen betroffen
Bei acht von zehn COPD-Patient:innen ist mindestens eine weitere behandlungsbedürftige Krankheit (Komorbidität) vorhanden. Je fortgeschrittener das Alter, desto mehr dieser Begleiterkrankungen treten in der Regel auf – im Schnitt sind es dann drei oder mehr, so das Ergebnis einer Studie mit rund 6.000 COPD-Patient:innen. Doch woran liegt das?
Vor allem hängt dies damit zusammen, dass die COPD für den Körper eine höhere Belastung darstellt. Die Folge: Der Energiehaushalt ist permanent erschöpft, was Folgeerkrankungen wahrscheinlicher macht. Manchmal ist es aber auch umgekehrt: Dann entsteht eine COPD dadurch, dass andere Krankheiten den Körper davor geschwächt haben. Doch unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge ist es wichtig, dass weitere Erkrankungen nicht übersehen und bei der Behandlung berücksichtigt werden. Untersuchungen belegten sogar, dass eine Verbesserung der COPD sich auch positiv auf andere Begleiterkrankungen auswirken kann.
Zudem interessant ist das Ergebnis eines Wissenschaftsteams, das 29 Studien zu Risikofaktoren für Mehrfacherkrankungen bei COPD, Lungenemphysem oder chronischer Bronchitis untersuchte. Das Ergebnis: COPD-Betroffene hatten bis zu zehnmal häufiger zusätzliche Krankheiten, darunter oft Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen, Asthma, Erkrankungen des Bewegungsapparats sowie der Psyche.
Zudem erhalten viele Patient:innen mehrere Medikamente gleichzeitig und haben ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen, wobei zehn Prozent der eingenommenen Medikamente sogar völlig ungeeignet waren. Die Autor:innen konnten zudem eine Reihe teilweise beeinflussbarer Risikofaktoren für Multimorbidität ausmachen – darunter die Einnahme vieler Medikamente auf einmal, Rauchen, Fettleibigkeit, geringe körperliche Aktivität und niedriger sozioökonomischer Status. Ihre Empfehlung: Bei der COPD-Behandlung müsse noch viel mehr die Förderung eines gesunden Lebensstils berücksichtigt werden.
Doch was sollte man nun eigentlich wissen über die häufigsten Begleiterkrankungen der COPD?
Herz-Kreislauf-Krankheiten bei COPD
Mit die häufigsten Begleiterkrankungen bei COPD-Patient:innen betreffen das Herz-Kreislauf-System. Dazu zählen beispielsweise die koronare Herzkrankheit, bei der die Arterien sprichwörtlich „verkalken” – oder die Herzinsuffizienz, die auf eine Schwäche des Herzens zurückzuführen ist. Gegenüber Gleichaltrigen ist das Risiko, eine solche Erkrankung zu bekommen, für COPD-Patient:innen deutlich erhöht und so leiden über die Hälfte der Betroffenen unter einer kardiovaskulären Begleiterkrankung.
Zudem werden diese leicht übersehen. Doch woran liegt das? Ganz einfach: Herzerkrankungen rufen teilweise ähnliche Symptome wie COPD hervor. Dazu gehören beispielsweise Atemnot, ein Engegefühl in der Brust oder Kurzatmigkeit. Hier lohnt es sich also, einen zweiten Blick auf die Herz-Kreislauf-Organe zu werfen. Wenn die Diagnose dann erteilt ist, ist es wichtig, dass Patient:innen mit einer solchen Doppelbelastung medikamentös gut eingestellt sind, beispielsweise durch Betablocker. Diese senken das Herzinfarkt-Risiko deutlich – und damit das Risiko eines tödlichen Ausgangs. Einige Studien haben zudem gezeigt, dass COPD-Patient:innen neben erhöhtem Blutdruck auch häufig unter Lungenhochruck – pulmonale Hypertonie genannt – leiden.
Starke Erschöpfung und Fatigue bei COPD
Eine chronische Erkrankung wie COPD kann den Körper stark in Mitleidenschaft ziehen und ihn viel Energie kosten. Das kann so weit gehen, dass einen schon leichte Alltagsaktivitäten überfordern können.
Manchmal liegt ein gestörtes Schlafverhalten zugrunde: Davon sprechen Mediziner:innen, wenn Betroffene in mindestens drei Nächten pro Woche keinen erholsamen Schlaf finden, also lange wach liegen, nicht einschlafen können, sich morgens oder gar den ganzen Tag über müde und schlapp fühlen und vielleicht sogar Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen haben. Dahinter stecken oft Stress, Übergewicht, eine Schlafapnoe – also nächtliche Atemaussetzer – oder bestimmte Medikamente.
In manchen Fällen treten diese Symptome jedoch sogar auf, wenn Betroffene eigentlich genug Schlaf bekommen haben. In diesem Fall spricht man von Fatigue, dem chronischen Erschöpfungssyndrom. Der Begriff Fatigue taucht auch im Zusammenhang mit Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion, Long- oder Post-COVID, häufig auf. Scheinbar löst diese also ähnlich kräftezehrende Vorgänge im Körper aus wie eine COPD. Zudem gilt: Fatigue kann Körper und Geist gleichermaßen betreffen und ist mit Medikamenten alleine nicht zu behandeln.
Was also tun? Klar ist: Man kann Fatigue mit Ruhe und Schlaf nicht bekämpfen. Im Gegenteil: Eine Kombination von leichtem Kraft- und Ausdauertraining mit sanfter, aber kontinuierlicher Steigerung der Intensität – wie es zum Beispiel bei Yoga, Schwimmen oder Lungensport der Fall ist – hat sich hier als effektiv erwiesen. Wichtig ist dabei aber, Überlastung unbedingt zu vermeiden. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Atmung aktiv mit ins Training einbezogen werden kann, um Fatigue gezielt zu mindern.
Doch im ersten Schritt sollte ein vertrauensvolles Gespräch mit dem oder der behandelnden Ärzt:in geführt werden – erst Recht, wenn auch kognitive Einschränkungen wie Konzentrationsschwierigkeiten oder Wortfindungsstörungen auftreten. Denn dann kann eine Verhaltenstherapie Sinn ergeben, die dabei hilft, Strategien zu entwickeln, wie man besser mit der starken Erschöpfung umgeht.
Diabetes bei COPD
Auch die sogenannte „Zuckerkrankheit” Diabetes mellitus gehört zu den häufigen Folgeerkrankungen einer COPD, ganz besonders bei Raucher:innen. Woran das liegt? Durch den gestörten Stoffwechsel werden Organe weniger gut durchblutet. Je mehr Zigaretten Raucher:innen konsumieren und je länger sie das bereits tun, umso höher ist ihr Risiko, zur COPD auch noch Diabetes zu bekommen. Besonders gefährlich an dieser Kombination ist, dass die beiden Krankheiten sich gegenseitig negativ beeinflussen: Die Sterblichkeitsrate ist dementsprechend bei COPD-Patient:innen mit „Zuckerkrankheit” deutlich höher als bei Patient:innen ohne Diabetes.
Sie sollten daher besonders auf die typischen Symptome eines Diabetes achten. Dazu zählen beispielsweise vermehrter Durst und damit verbundenes Wasserlassen, Heißhunger oder häufige Müdigkeit. Um das Risiko für diese Begleiterkrankung zu vermeiden, empfehlen sich viel Bewegung, reduzierter Zuckerkonsum und natürlich: Der sofortige Rauch-Stopp.
Osteoporose bei COPD
Der menschliche Körper erneuert sich fortwährend – das gilt auch für das Knochengewebe. Bis zum 45. Lebensjahr bauen wir Menschen Knochenmasse auf, doch danach kehrt sich dieses Verhältnis um: Wir bauen ab – auch am Skelett. Von Osteoporose spricht man, wenn diese Entwicklung extrem beschleunigt wird und Betroffene dadurch mehr und mehr empfindlich für Knochenbrüche werden. Doch woher kommt Osteoporose eigentlich?
Osteoporose wird durch Bewegungsmangel, Mangelernährung und verschiedene andere Faktoren wie übermäßigen Alkoholgenuss und Rauchen begünstigt – was wiederum den Zusammenhang zwischen dem krankhaften Knochenschwund und der Lungenkrankheit erklärt. Auch die Einnahme bestimmter kortisonhaltiger Medikamente kann sich negativ auf die Knochendichte auswirken, ist aber wiederum zwingend notwendig, um die COPD in Schach zu halten.
Der beste Schutz vor Osteoporose deckt sich mit den gängigen Maßnahmen einer COPD-Therapie: Rauchentwöhnung, ausreichend Bewegung und sportliche Aktivität, mäßiger Alkoholgenuss sowie eine vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung. Hier ist neben dem Vitamin D vor allem Kalzium als knochenstärkendes Mineral zu nennen. Es ist vorwiegend in Milchprodukten wie Käse und Joghurt enthalten, aber auch Vollkornbrot, grüne Gemüse wie Brokkoli und Spinat, Nüsse und Ölsardinen sind wichtige Kalziumlieferanten.
Gewichtsverlust bei COPD
Gewichtsverlust selbst ist zwar keine Krankheit, doch er symbolisiert eine schlechte Gesundheit – erst recht, wenn er nicht geplant ist. Gerade in fortgeschrittenen Stadien zehrt die COPD oft so viel von der Energie der Patient:innen, dass ein Gewichtsverlust nahezu unvermeidbar wird – was wiederum Folgeerkrankungen begünstigt. Als Ursache für eine ungewollte Abnahme wird eine verminderte Nahrungszufuhr angenommen, vermutlich aufgrund der krankheitsbedingten Appetitlosigkeit. Zudem benötigt der Körper vermehrt Energie beim Atmen, denn die Bronchien verengen immer weiter.
Der Gewichtsverlust führt zudem auch zu einem Verlust an Muskelmasse, zur Abnahme der Knochendichte – was wiederum die Entstehung einer Osteoporose begünstigt – und zu einer Erhöhung der Insulinresistenz, die den Blutzucker steigen lässt. Eine Ernährungstherapie mit hochkalorischer Nahrung kann dem Gewichtsverlust dagegen gezielt entgegenwirken.
Harninkontinenz bei COPD
Eine Studie aus 2013 zeigt, dass mehr als die Hälfte aller COPD-Patient:innen unter Harninkontinenz leiden. Das bedeutet, sie können den Zeitpunkt des Harnlassens nicht mehr gezielt steuern, was zu unangenehmen Situationen führen kann. Ursache dieser auffälligen Häufung ist wohl der für die Lungenkrankheit typische Husten, der den Druck im Bauchraum erhöht, ähnlich wie es beim Lachen der Fall ist. Kommt eine schwache Beckenbodenmuskulatur hinzu, kann der Urin nicht mehr gehalten werden.
Obwohl Inkontinenz gut behandelbar ist, meiden viele der Betroffenen den Gang zum Arzt. Dabei gibt es spezielle Gymnastikübungen, die den Beckenboden trainieren sollen und daher gut Abhilfe verschaffen können. Der Gang zum Arzt oder zur Ärztin ist bei entsprechenden Beschwerden deshalb sehr empfehlenswert – unter anderem, weil mit zunehmender Zahl an Begleiterkrankungen auch die Anzahl der eingenommenen Medikamente steigt. Um unerwünschte Wechselwirkungen auszuschließen, sollte man daher regelmäßig seinen Medikamentenplan checken lassen.
Dass eine COPD mit anderen Begleiterkrankungen verwoben sein kann, ist nicht neu. Doch inwiefern sich Begleiterkrankungen auf den Schweregrad einer COPD oder das Lebensalter zurückführen lassen, wurde jüngst erst untersucht. Dafür werteten Forscher:innen die Daten von über 3.000 Patient:innen aus. Das Ergebnis: Je schwerer die COPD, umso höher das Risiko, an einem Herzversagen zu leiden oder Osteoporose zu bekommen. Bluthochdruck dagegen trat eher bei älteren Patient:innen auf, weniger abhängig vom COPD-Stadium. Wieso ist das wichtig? Es ist ein wenig wie die Frage nach Henne oder Ei: Wenn man weiß, welche Einflüsse eine Krankheit auf eine andere ausübt, kann man die Therapie viel besser individualisieren, also an die einzelnen Patient:innen anpassen.
COPD: Welche Medikamente helfen?
Neue Medikamente haben die Wirkung der COPD-Therapie in den letzten Jahren deutlich verbessert. Aber auch Sie selbst können zum Erfolg der Behandlung einiges beitragen. Weiterlesen
Bronchiektasen und Emphyseme bei COPD
Bronchiektasen sind kleine, sackartige Ausweitungen, die sich meist als Folge von chronischen Entzündungsprozessen in den Bronchien bilden. In den so entstehenden Hohlräumen setzt sich Sekret ab, das von Bakterien besiedelt wird. Bronchiektasen stellen daher ein ständiges Risiko dar, dass Infektionen sich verstärken oder neu auftreten.
Besonders für COPD-Patient:innen ist diese Entwicklung sehr gefährlich: Durch die ständigen Bakterienherde erhöhen Bronchiektasen bei ihnen die Zahl der Krankheitsschübe und verstärken Symptome wie Husten und Atemnot. Doch wie kann man dagegen vorgehen und seinem Körper etwas Gutes tun?
Ratsam sind vor allem Maßnahmen, die das Abhusten erleichtern. Logisch, denn dadurch verringert sich die Anzahl der Keime. Auch spezielle Antibiotika können hier helfen – oder ein chirurgischer Eingriff zur Entfernung der Ausweitungen. Ob man an Bronchiektasen leidet und was man gezielt dagegen tun kann, findet man am besten gemeinsam mit einem oder einer Lungenfachärzt:in heraus.
Eine weitere häufige Begleiterkrankung der COPD ist das Emphysem. Dabei sind die Lungenbläschen betroffen und werden nicht selten sogar (teilweise) zerstört, sodass sich große, mit Luft gefüllte Blasen bilden. Die Konsequenz: Die Lunge überbläht und der Gasaustausch wird gestört, es verbleibt also immer mehr Kohlendioxid in den Atemwegen, während weniger Sauerstoff aufgenommen wird. Patient:innen leiden daher immer häufiger unter Atemnot, auch im Ruhezustand.
Auch hier ist die Rauchentwöhnung der erste und wichtigste Therapieschritt. Zudem tragen ein aktiver Lebensstil, die richtigen Medikamente und das Vermeiden von Atemwegsinfekten dazu bei, Emphyseme gar nicht erst entstehen zu lassen oder zumindest abzumildern. In fortgeschrittenen Fällen kann ein operativer Eingriff nötig sein.
Depressionen bei COPD
Nicht zu vergessen, zählen auch Depressionen zu den ernstzunehmenden Folgeerkrankungen der COPD. Man geht davon aus, dass etwa 40 Prozent der Betroffenen unter depressiven Zuständen leiden. Doch woran merkt man, dass man unter dieser Volkskrankheit leidet? Typische Symptome sind der Rückzug aus dem Sozialleben, Antriebslosigkeit und eine schlechte Grundstimmung. Doch gerade heutzutage muss sich niemand mehr für diese Symptome schämen – und sollte den Gang zur Psychotherapie unternehmen. Denn sie kann hier effektiv Abhilfe verschaffen, speziell für COPD-Patient:innen.
Wer unter COPD leidet, hat es nicht leicht – gerade im Hinblick auf mögliche Begleiterkrankungen. Dabei gibt es so viele Mittel und Wege, wie man diese Risiken minimieren, manchmal sogar eliminieren kann. Es lohnt sich, sich selbst etwas Gutes zu tun – für die Gesundheit und ein langfristiges Wohlbefinden.
Quellen:
– Helmholtz Zentrum München, 2024. Mehrfacherkrankungen bei COPD verhindern. Abgerufen bei https://www.lungeninformationsdienst.de/aktuelles/news/artikel/mehrfacherkrankungen-bei-copd-verhindern am 21. Juni 2024 – Brian Lipworth (et al.): Underuse of β-blockers in heart failure and chronic obstructive pulmonary disease. In: Heart 2016; 102:1909-1914.
– Zöckler, N., Rief, W., Kühl, K. & Kenn, K. (2012): Krankheitsbezogene Ängste und depressive Symptome bei COPD Patienten. In: Pneumologie, 66(5), 290-296.
– Deutsches Zentrum für Lungenforschung: COPD und ihre Begleiterkrankungen: Neue Erkenntnisse durch die COSYCONET-Kohortenstudie. Pressemitteilung vom 7. Januar 2019
– Worth H et al. The ‚real-life‘ COPD patient in Germany: The DACCORD study. Respir Med 2016;111:64-71
– Deutsches Gesundheitsportal, 2022: COPD – wie das Alter und krankheitsbedingte Faktoren mit Begleiterkrankungen zusammenhängen. Abgerufen über https://www.deutschesgesundheitsportal.de/2022/09/26/copd-wie-das-alter-und-krankheitsbedingte-faktoren-mit-begleiterkrankungen-zusammenhaengen/ am 08.11.2022
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