Das Lungenvolumen verkleinern – ist das nicht eher kontraproduktiv? Tatsächlich klingt es im ersten Moment etwas seltsam, dass ausgerechnet Menschen mit Lungenerkrankungen davon profitieren sollen, wenn ihr Lungenvolumen reduziert wird. Doch schaut man einmal genauer hin, ergibt dieser Schritt tatsächlich Sinn. Wieso das so ist, welche Verfahren sich hierfür anbieten und welche Voraussetzungen dabei erfüllt werden müssen, wollen wir in diesem Beitrag gerne beleuchten.
Lungenvolumenreduktion: Wenn die Lunge überbläht ist
Vorweg soll es um die Frage gehen, was eine Lungenvolumenreduktion eigentlich ist. Eine LVR, wie sie abgekürzt wird, kann COPD-Patient:innen helfen, die unter einer überblähten Lunge leiden und die konventionellen Behandlungsoptionen bereits ausgeschöpft haben. Denn viele COPD-Patient:innen können als Folge einer gestörten Atmung die eingeatmete Luft nicht vollständig ausatmen – es kommt also mehr in die Lunge hinein als hinaus. Im weiteren Verlauf blähen sich Teile der Lunge auf und es entsteht ein sogenanntes Emphysem. Doch warum ist das problematisch?
Ein Lungenemphysem erschwert das Atmen. Denn die überblähten Bereiche sind für den Gasaustausch unbrauchbar. Stattdessen drücken sie auf das gesunde Lungengewebe und stören so die Atemarbeit.
Durch eine Verkleinerung des Lungenvolumens kann man dem Prozess der Lungenüberblähung allerdings entgegenwirken und somit die Atemnot effektiv lindern. Welches Verfahren sich dafür nun anbietet, hängt auch davon ab, wie das Emphysem in der Lunge platziert oder verteilt ist.
Welche Verfahren der Lungenvolumenreduktion gibt es?
Das Ziel einer Lungenvolumenreduktion ist es also, die überblähte Lunge von Emphysem Patienten zu verkleinern – und damit den Gasaustausch wieder zu verbessern. Doch über welche Verfahren lässt sich das nun umsetzen?
1. Chirurgische Lungenvolumenreduktion
Bei einer chirurgischen Volumenreduktion werden stark überblähte Bereiche der Lunge mit dem Skalpell entfernt. Der Eingriff hat das Ziel, dem gesunden Teil der Lunge die Atemarbeit zu erleichtern und so die Atemnot zu lindern. Die Lunge wird also effektiv verkleinert.
Studien haben gezeigt, dass nach einer solchen Operation die Sterblichkeitsrate im Vergleich zu konventionell therapierten Patient:innen im ersten Jahr deutlich erhöht ist. Fünf Jahre nach der Lungenverkleinerung hat sich die Lebensqualität der Betroffenen jedoch stark verbessert: Atemnot und Anzahl der Exazerbationen waren signifikant reduziert.
2. Bronchoskopische Verfahren
Neben dem chirurgischen Eingriff gibt es auch die Möglichkeit, rein endoskopisch, also ohne Schnitte von außen, vorzugehen. Hier handelt es sich nämlich um minimalinvasive Eingriffe, die im Vergleich zum chirurgischen Verfahren weniger Nebenwirkungen und Risiken mit sich bringen.
Lungenventile
Lungenventile werden mithilfe eines Bronchoskops in die Atemwege der überblähten Bereiche eingesetzt. Sie verschließen sich beim Einatmen, um sich beim Ausatmen wieder zu öffnen. So kann keine neue Luft einströmen und die alte entweicht langsam.
Durch den Einsatz der Lungenventile wird das Lungenvolumen reduziert und die gesunden Lungenteile können wieder ungestört arbeiten. Die Patient:innen dürfen mit einer deutlich verbesserten Lungenfunktion und körperlichen Belastbarkeit rechnen.
Das folgende Video der Essener Ruhrlandklinik schafft einen Überblick über die Lungenvolumenreduktion mit Lungenventilen und erläutert auch, in welchen Fällen dieses Verfahren sinnvoll ist.
Spiralen (Coils)
Coils sind Spiralen aus Nitinol, einer Nickel-Titan-Legierung, die in gestrecktem Zustand in die mit Luft gefüllten Bronchien eingesetzt werden. Nach kurzer Zeit nehmen sie jedoch wieder ihre Spiralform an, woraufhin sich auch das umgebende Lungengewebe zusammenzieht.
Der Einsatz von Coils
- vermindert die Verdrängung von gesundem Lungengewebe
- verbessert die Elastizität der Lunge
- steigert die Beweglichkeit der Atemmuskulatur.
Weitere Verfahren
Neben den oben genannten gibt es noch andere bronchoskopische Verfahren zur Lungenvolumenreduktion, deren Wirksamkeit bisher jedoch nicht belastbar nachgewiesen werden konnte.
Dazu gehört beispielsweise der Einsatz von Heißdampf zur Schrumpfung von Lungengewebe, die als thermische Dampfablation bezeichnet wird. Aber auch der Nutzen einer Applikation eines speziellen Gelschaums, die sogenannte polymerische Lungenvolumenreduktion, ist nicht ausreichend belegt. Auch Airway-Bypass-Stents, die man sonst eher aus der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kennt, sind leider wenig sinnvoll.
Was sind die Voraussetzungen für eine Lungenvolumenreduktion?
Nicht alle Emphysem Patienten profitieren in gleicher Weise von einer Lungenvolumenreduktion. Wer einen FEV1-Wert von über 50% hat, wird zum Beispiel keine große Verbesserung wahrnehmen. Eher ungeeignet sind zudem COPD-Patient:innen mit häufigen Infektionen oder viel Auswurf. Wichtig zu wissen: Wer trotz der fortgeschrittenen Erkrankung noch immer aktiv raucht, ist in der Regel von einer Lungenvolumenreduktion ausgeschlossen. Zudem bedarf es einer intensiven Voruntersuchung, um festzustellen, welches Verfahren im Einzelfall sinnvoll ist. Dabei spielen vor allem die Verteilung der überblähten Lungenbereiche und die sogenannte kollaterale Ventilation eine Rolle – ein komplizierter Begriff. Doch was genau ist das?
Verteilung des Emphysems
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer gleichmäßigen, also homogenen, und einer ungleichmäßigen, sprich heterogenen Verteilung der überblähten Lungenteile. Je stärker diese ausfällt, desto besser sind Lungenventile oder eine chirurgische Lungenvolumenreduktion geeignet. Bei einer weitestgehend homogenen Verteilung sind Coils hingegen die bessere Wahl.
Kollaterale Ventilation
Die kollaterale Ventilation bezeichnet ein Phänomen, das bei vielen Emphysem Patienten auftritt. Hier werden verschlossene Atemwege über neu entstandene Querverbindungen zu eigentlich abgetrennten Bereichen belüftet. Liegen solche Verbindungen bei den Betroffenen vor, kann mit Lungenventilen leider kein Erfolg erzielt werden.
Risiken und Chancen der Lungenvolumenreduktion
Generell muss betont werden, dass die hier vorgestellten Methoden seit noch nicht allzu langer Zeit Einzug in die Medizin gehalten haben. In einigen Studien werden ihre Risiken und Nebenwirkungen beschrieben.
Risiken und Nebenwirkungen der Lungenvolumenreduktion:
- Exazerbationen, also akute Verschlechterung der Symptome
- Pneumothorax, also eine Verletzung des Lungenfells durch das Einführen des Bronchoskops
- Bluthusten
- Atemwegsinfektionen
Diesen doch relativ überschaubaren Risiken stehen für die Betroffenen jedoch große Chancen auf eine verbesserte Belastbarkeit und Lebensqualität gegenüber.
Für den Erfolg einer Behandlung ist allerdings die sorgfältige Auswahl des geeigneten Verfahrens entscheidend. Eine Lungenvolumenreduktion sollte man deshalb ausschließlich in Fachzentren mit entsprechender Ausstattung und speziellem Know-How durchführen lassen. Langfristige Erfolge können nur erzielt werden, wenn die Maßnahme in ein Behandlungskonzept eingebettet ist und durch eine entsprechende Nachsorge ergänzt wird. Oft verfügen die behandelnden Lungenärzt:innen über ein gutes Netzwerk in diesen Fachzentren und sollten daher für die Betroffenen des Lungenemphysems der oder die erste Ansprechpartner:in sein.
Eine Lungenvolumenreduktion kann für einige COPD-Patient:innen der lang ersehnte Hoffnungsschimmer am Horizont sein. Allerdings bringt das Verfahren einige nötige Voraussetzungen und Risiken mit sich. Dabei ganz zentral: Vorher muss der Rauch-Stopp gelingen. In Kombination damit ist die Volumenreduktion ein aussichtsreicher Schritt hin zu einem Leben mit besserer Gesundheit und gesteigertem Wohlbefinden.
Quellen:
– Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, 2017: Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem: Abschlussbericht publiziert. Abgerufen bei https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_10273.html am 2. August 2024
– Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020: Abschlussbericht. Verfahren der Lungenvolumenreduktion beim schweren Lungenemphysem. Abgerufen bei https://www.g-ba.de/downloads/40-268-6378/2020-02-20_KHMe_BLVR-Polymerschaum-Lungenemphysem_ZD.pdf am 2. August 2024
– Helmholtz Zentrum München, 2017: Welches Verfahren zur Lungenvolumenreduktion ist das Beste? Abgerufen bei https://www.lungeninformationsdienst.de/aktuelles/news/artikel/welches-verfahren-zur-lungenvolumenreduktion-ist-das-beste am 2. August 2024
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