„Argument“ Nummer 1: „Ich will die Verschlechterung nicht herbeireden.“
Zunächst noch einmal das Wichtigste: Was nicht besprochen wird, existiert trotzdem! Die Krankheit schreitet (individuell unterschiedlich) fort. Aber: Diese Verschlechterung ist nicht gleichbedeutend mit baldigem Sterben und Tod. Es ist entscheidend, einen angemessenen Umgang mit dem Fortschreiten der Erkrankung zu finden.
Zu diesem „Argument“ lassen sich in den Leser-Kommentaren drei Herausforderungen identifizieren.
Herausforderung 1: Akzeptanz für den Krankheitsverlauf entwickeln
Herausforderung 2: Mit Risikofaktoren für Verschlechterung leben lernen
Herausforderung 3: Pro-aktiv bleiben trotz Verschlechterung
Herausforderung 1: Akzeptanz für den Krankheitsverlauf entwickeln
„Noch immer warte ich täglich darauf, dass es mir endlich wieder wie früher geht.“
Das ist eine typische Aussage bei Patienten, die zwar nicht aktiv verdrängen oder vermeiden, die aber noch kein Verständnis für das Fortschreiten der Erkrankung entwickelt haben. Dieses Verständnis entsteht meist langsam im Laufe der Zeit und führt im günstigsten Fall zur Akzeptanz. Akzeptanz ist die Voraussetzung, um aus einer verdrängenden oder vermeidenden Haltung zu einem angemessenen Coping (Krankheitsverarbeitung) zu gelangen.
Was bedeutet Akzeptanz?
- Akzeptanz bedeutet nicht willenloses Ergeben in die Umstände oder gar Resignation.
- Akzeptanz bedeutet vielmehr nicht-wertende Wahrnehmung der Realität.
- Akzeptanz ist kein Ziel, sondern eine tägliche Übungsaufgabe.
- Akzeptanz bedeutet nicht Entweder-oder, sondern Sowohl-als auch (Veränderbares ändern; nicht Veränderbares annehmen; das Eine vom Anderen unterscheiden lernen).
- Akzeptanz bedeutet auch die Entscheidung darüber, was angenommen wird und was nicht (selten die Erkrankung als Ganzes, eher einzelne Auswirkungen).
- Akzeptanz ist eine aktive Entscheidung, die wiederholt oder widerrufen werden kann.
- Akzeptanz ist immer subjektiv, ein individueller Prozess.
Hilfreiche Strategien zur Akzeptanzförderung sind beispielsweise:
- Perspektivwechsel (z. B. unerreichbare Ziele gegen erreichbare tauschen)
- Orientierung an persönlichen Werten (geben Sinn und Halt)
- Fokussierung auf Lebensqualität (das Mögliche an Genuss, Entspannung, sozialen Kontakten, neuen Erfahrungen)
- Konzentration auf das Hier und Jetzt (z. B. die kleinen Freuden des Alltags bewusst wahrnehmen)
- Erinnerung an früheres erfolgreiches Akzeptieren
- Spiritualität, Sinnerfahrung
Herausforderung 2: Mit Risikofaktoren für Verschlechterung leben lernen
„Seit ich an COVID erkrankt war, habe ich mich nicht mehr richtig erholt und ich merke deutlicher, wie sehr ich inzwischen beeinträchtigt bin.“
Diese Aussage lenkt den Blick auf die Tatsache, dass bestimmte Risikofaktoren einen ungünstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben können.
Zu diesen Risikofaktoren zählen vor allem:
- Rauchen
- Exazerbationen
- Infekte
Den Risikofaktor „Rauchen“ können Patienten am meisten beeinflussen. Exazerbationen können durch bewusstes Selbst-Management zumindest weitgehend vermieden werden. Infekte hingegen liegen am wenigsten im Einflussbereich des Einzelnen, wenn man nicht in einer selbstgewählten totalen Isolation leben möchte.
Hier zeigt sich deutlich, dass zur Akzeptanz des Krankheitsverlaufs eine Balance zwischen aktivem Selbst-Management und Gelassenheit gehört: Auch bei größter Selbstdisziplin (z. B. im Hinblick auf Rauchen, medizinischer Therapie, Training) hat niemand alles im Griff (z. B. Viren und Bakterien).
Gelassenheit fällt optimistischen Menschen leichter als notorischen Schwarz-Sehern.
Deshalb lohnt die tägliche Übung mit dem zur Hälfte gefüllten Glas:
- Welche Ziele möchte ich heute mit meinem halbvollen Glas erreichen?
- Welches Ziel ist für mich davon das Wichtigste?
- Wie sieht der erste Schritt zu diesem Ziel aus?
- Falls mich nichts an diesem ersten Schritt hindert: Auf geht´s!
Danach die gleiche Übung mit dem nächsten Ziel… Es ist erstaunlich, wie viele Ziele man mit einem halbgefüllten Glas erreichen kann!
Herausforderung 3: Pro-aktiv bleiben trotz Verschlechterung
„Ich mache regelmäßig Lungensport, bewege mich täglich, inhaliere vorschriftsmäßig und ernähre mich bewusst. Trotzdem verschlechtert sich die Krankheit schneller, als ich gedacht hätte.“
Diese Aussage spiegelt eine sehr bittere Patientenerfahrung wider. Die Forschung zeigt, dass es (weitgehend unabhängig von bestimmtem Patientenverhalten) unterschiedliche mehr oder weniger rasche Krankheitsverläufe gibt. Das heißt im Klartext: Manche Patienten müssen sich mit einer zunehmenden Verschlechterung arrangieren, obwohl sie eigentlich alles vorbildlich richtig machen.
Diese Patienten brauchen besonders viel Ermutigung zum Durchhalten, damit sie nicht resignieren. In diesen Fällen ist es außerdem besonders wichtig, alle medizinischen Möglichkeiten für eine Stabilisierung auszuschöpfen.
Bewährte medizinische Maßnahmen sind beispielsweise:
- regelmäßige Pneumologische Rehabilitation
- falls indiziert – Langzeitsauerstoff-Therapie (LTOT) bzw. Nicht-invasive Beatmung (NIV)
- bei ausgeprägtem Emphysem – Lungenvolumenreduktion (Ventile bzw. OP)
- evtl. Listung zur Lungen-Transplantation (LTx)
Darüber hinaus ist es gerade für diese Patienten wichtig, rechtzeitig die Versorgungsfragen zu klären. Das gelingt am besten gemeinsam mit vertrauten Menschen und in der Zusammenarbeit mit fachkundigen Ansprechpartnern bei den jeweiligen Anbietern.
Damit enden meine Hinweise zum „Argument“ Nummer 1. Gerne können Sie auch diesmal wieder in den Kommentaren unter diesem Blog-Beitrag Ihre Überlegungen, Fragen und Erfahrungen aufführen. Oder Sie schreiben mir direkt via E-Mail (service@psychopneumologie.de).
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen.
Monika Tempel
Quellen:
– Foto: KatarzynaBialasiewicz / istock.com
Guten Tag, ich habe GOLD IV mit Emphysem und habe nun die Möglichkeit, eine Lungenvolumenreduktion machen zu lassen. Der Entscheid fällt mir, angesichts der möglichen Komplikationen, schwer. Gibt es jemand unter euch, der diese Operation hat machen lassen und mir etwas über seine Erfahrungen berichten kann?
Liebe Grüsse Agathe
Seit meiner Diagnose im Mai, COPD und Lungenemphysem vergeht kein Tag, an dem ich nicht darüber nachdenke, was mich sehr blockiert. was kann ich tun, um nicht ständig an meine Krankheit zu denken ?
Sind Sie der Meinung, das Patienten mit raschen Krankheitsverläufen, „obwohl sie eigentlich alles vorbildlich richtig machen“, zum gleichen Zeitpunkt ins Gras beissen,(„…wichtig, rechtzeitig die Versorgungsfragen zu klären…“) als jene ohne jedes Trainingsprogramm?
Guten Morgen, diese Artikel haben mir sehr gefallen und mir bestätigt, dass ich bis jetzt nichts falsch gemacht habe. Ich habe Copd Stadium 3, merke aber, dass ich merklich „abbaue“. Verliere trotz guter Ernährung an Gewicht, bin zittrig geworden. Betreibe lungensport in der Gruppe und am FS, doch meine Beweglichkeit wird täglich weniger, habe 24 Stunden Sauerstoff, gehe nach einigen Stürzen in der Wohnung am Rollator, im Freien ebenso. Für längere „Ausflüge“ sitze ich im Rollstuhl. Habe seit ein paar Monaten eine 24. Stunden Pflegekraft , die mir Vieles abnimmt.
An sozialen fehlt es mir nicht!
Und doch blicke ich sorgenvoll in die Zukunft, wie lange geht’s noch, was kommt auf mich zu, was muss ich erwarten?
Vielleicht haben Sie Tipps für mich!
Freue mich auf ein paar Zeilen von Ihnen
Liebe Grüße Christa Kubern
Danke für den informativen Bericht!!!
Tägl. Bewegung und tägl. Trainieren ist absolut wichtig, den ganzen Körper sowie extra noch einmal die Lunge. Hometrainer wie Rad, Cranchgerät, terraband, schwingstab, Yoga, gymnastikschlaufe, dazu div. Lungentrainer und „Zwerchfell kitzeln“ mit dem korken, 2 große Runden (ca. 6km zusammen) mit meinem Coach, dem Hund, werden bei mir tägl. absolviert. Habe copd 4b mit Emphysem und vor 2 Jahren habe ich mir Ventile setzen lassen, was ich jederzeit wieder tun würde. Nehme 2x tägl.meine inhalationsmedikament, ansonsten ab und an mal notspray. Zu Testzwecken nehme ich z. Zt. Nachts Sauerstoff +/- 8 Stunden, es soll getestet werden, ob ich mich dann tags besser fühle und ob ich nachts Aussetzer habe (das ließ sich im schlaflabor nicht eindeutig abklären und dieses Gerät zeichnet alls auf).
Natürlich ist jeder Tag bissl wie eine Lotterie, Wetter muss stimmen, psyche auch, Laune, Umfeld, Stress, alles Faktoren die maßgeblich sind aber: unterkriegen lassen, ist nicht, jeder Tag kann kommen, entweder wird er mit nem Federchen begrüßt oder mit der Faust. Aber hängen lassen ist keine Option!
Kämpfen wir gemeinsam, liebe Grüße Simone